Die AfD räumt Erfolg nach Erfolg ab. Jetzt kündigte sie die Neustrukturierung ihrer Jugendorganisation „Junge Alternative” an. Das scheint jedoch weniger Ausdruck einer Schwäche als eine konkrete Vorbereitung auf zukünftige Regierungsbeteiligungen zu sein.
Die faschistische Bewegung und die AfD als ihr parlamentarischer Arm sind seit Monaten auf dem Vormarsch, sowohl in Umfragen unter Wähler:innen als auch, was die gesellschaftliche Stimmung anbelangt. Rechte Politik gewinnt an Zuspruch und damit auch die AfD – nicht trotz, sondern gerade wegen ihrer radikalen rechten Positionen.
Bundespressekonferenz: „Extreme Rechte in der Offensive“
Eine ähnliche Einschätzung wurde auch auf der Bundespressekonferenz am Dienstag getroffen: Dort warfen Dominik Schumacher, Vertreter des Bundesverbands Mobile Beratung, Prof. Dr. Oliver Decker, Forscher an der Universität Leipzig, und Silvia Speer, Engagierte im Bündnis Nordhausen Zusammen, einen Rückblick auf das Jahr 2024. Unter der Überschrift „Wie die AfD und ihre rechtsextremen Netzwerke die Demokratie angreifen“ blickten sie zurück auf den Aufschwung der AfD und ihre Bedeutung und Rolle für den Rechtsruck in der Politik.
Schumacher eröffnete die Konferenz mit der Aussage, dass sich die extreme Rechte in der Offensive befände und führte diese Behauptung auf fünf Punkte zurück: Die AfD habe in den letzten Monaten beispiellose Erfolge einfahren können. Im Osten ist sie zweitstärkste, teils sogar stärkste Kraft geworden und auch im Westen kann sie neue Wähler:innen ansammeln, die sie nicht trotz, sondern gerade wegen ihrer Radikalität wählen würden.
Zweitens stelle die AfD mittlerweile die wesentliche Triebkraft für alle Teile der faschistischen Bewegung dar und habe enge Vernetzungen in verschiedene faschistische Milieus, von Reichsbürgerstrukturen bis hin zu bekannten Nazis und nicht zuletzt auch der Potsdamer Konferenz mit ihren Remigrationsplänen. Die AfD sei laut Schumacher der „parlamentarische Arm eines großen antidemokratischen Netzwerks geworden, das die politische Landschaft umstürzen will.“
Rechtsruck in der Jugend und den Parteien
Zudem konnte man dieses Jahr das Aufblühen einer neuen, gewaltbereiten faschistischen Jugendbewegung und die Normalisierung faschistischen Gedankenguts unter Jugendlichen sehen. Nicht zu vergessen sind dabei natürlich die unzähligen Naziparolen, die im Laufe des Jahres zum salonfähigen Sprachgebrauch gemacht wurden. Das selbstbewusste Rufen der zur Melodie von Gigi D’Agostinos Song „L‘Amour toujours” umgedichteten „Ausländer raus“-Parole und das Zeigen des Hitlergrußes auf Kameras in Sylt wird vielen noch im Kopf sein, stellt jedoch nur die Spitze vom Eisberg dar.
Jedoch könne der Rechtsruck nicht nur auf die AfD geschoben werden. Denn immerhin haben demokratische Parteien Forderungen der AfD übernommen und, so Schumacher, „rechtsextreme Diskurse in großen Schritten weiter normalisiert“. Dabei wird sich auch explizit auf die gesellschaftliche Stimmungsmache gegen Migrant:innen und die verschärfte Asyl- und Abschiebepolitik der regierenden Parteien bezogen. Damit habe es die AfD auch ohne Regierungsbeteiligung geschafft, die Politik weiter nach rechts zu treiben.
Neustrukturierung statt Auflösung
Warum sollte sich in einem solchen Höhenflug die AfD nun also dazu entscheiden, ihre eigene Jugendorganisation aufzulösen?
Erst einmal ist hier wichtig zu verstehen, dass es sich um keine Auflösung der Jugendorganisation als solche handelt. Vielmehr geht es um eine Anpassung des Verhältnisses zwischen Junger Alternative (JA) und Mutterpartei. Ziel sei eine „Neustrukturierung und Weiterentwicklung der Jugendorganisation“.
Der bisherige Vorschlag orientiert sich an dem Modell der SPD-Jugendorganisation der Jusos. Dementsprechend sollen alle AfD-Mitglieder unter 36 Jahren automatisch Teil der neuen Jugendorganisation sein. Der Bundesvorstand und der Großteil der Landesverbände haben sich bereits für eine entsprechende Änderung der Parteisatzung auf dem kommenden Parteitag im Januar ausgesprochen.
Vorbereitung auf Regierungsbeteiligung
Die Jugendorganisation der AfD wird also nicht aus einem Zustand der Schwäche neu strukturiert, sondern aus dem genauen Gegenteil. Durch die riesigen Wahlerfolge bei den Europa- und Landtagswahlen und dem politischen wie gesellschaftlichen Rechtsruck konnte die AfD ihren Einfluss in der Bevölkerung massiv ausweiten und dort tatsächlich mehr und mehr das Bild einer vermeintlichen „Alternative“ zeichnen.
Mit den anstehenden Neuwahlen im Februar nach dem Zusammenbruch der Ampelkoalition erhofft sie sich eine Fortsetzung dieses Siegeszugs. Je realistischer eine Regierungsbeteiligung jedoch wird, desto mehr muss die AfD-Führungsspitze ihre Partei auch darauf vorbereiten.
Die JA wird schon seit Langem vom Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft. Zudem tritt sie mit einer besonderen Aggressivität und Radikalität selbst im Vergleich zu ihrer Mutterpartei auf. Nicht zuletzt liegt das auch daran, dass sie ein Sammelbecken verschiedener Faschist:innen ohne AfD-Mitgliedschaft darstellt. So ist ungefähr nur die Hälfte der JA-Mitglieder auch zeitgleich Mitglied in der AfD.
Mehr Kontrolle über die radikale Jugend
Mit der Neustrukturierung der Jugendorganisation erhofft sich die faschistische Führungsriege also vor allem mehr direkte Einflussnahme und Durchgriffsrechte für die Mutterpartei und eine stärkere Einbindung des Parteinachwuchses in die AfD. „Unliebsame“ und für eine Regierungsteilnahme doch bisher zu radikale Positionen könnten dann einfacher von der AfD unterbunden und ausgeschlossen werden und ihr damit mehr Kontrolle und Steuerungsmöglichkeiten geben. Zudem gehe man mit einer „Neugründung“ und Umbenennung auch einem möglichen Betätigungsverbot der JA aus dem Weg.
Dieser Text erschien zuerst auf Perspektive Online.
Beitragsbild unter CC BY-NC 2.0 von Matthias Berg.
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