Jedes siebte Kind in Deutschland wächst in Armut auf

Die Zahl der armutsgefährdeten Kinder in Deutschland ist im Vergleich zum Vorjahr auf 2,2 Millionen gestiegen. Besonders junge Mädchen sind von Einsamkeit betroffen.

Sowohl UNICEF als auch das Statistische Bundesamt (Destatis) veröffentlichten kürzlich Berichte über das Wohlergehen der etwa 14 Millionen Kinder in Deutschland. Im Vergleich zum letzten Jahr ist dabei die Zahl der Kinder, die von Armut gefährdet sind, von 14 Prozent auf 15,2 Prozent gestiegen.

Eine Person gilt dann als armutsgefährdet, wenn sie weniger als 60 Prozent des mittleren Nettoäquivalenzeinkommens der Gesamtbevölkerung verfügt. Das Nettoäquivalenzeinkommen ist ein gewichtetes Pro-Kopf-Einkommen, das das Einkommen von Personen unter Berücksichtigung von Haushaltsgröße und -zusammensetzung vergleichbar macht.

Fast jedes zehnte Kind lebt mit erheblichen Einschränkungen

Laut dem UNICEF Bericht leben etwa 9,3 Prozent der Kinder bereits mit erheblichen Einschränkungen im alltäglichen Leben. Das heißt, dass sie sich keine gesunden Mahlzeiten, mehrere Schuhpaare, Freizeitaktivitäten oder einen einwöchigen Urlaub leisten können.

Besonders betroffen sind davon laut destastis Minderjährige mit Einwanderungsgeschichte. Sie sind viermal so häufig von Armut gefährdet wie gleichaltrige ohne Einwanderungsgeschichte und machen dabei unter Kinder und Jugendlichen ganze 28,1 Prozent der Bevölkerung aus.

Besonders auffällig ist, dass in Deutschland, als eines der reichsten Länder der Welt, nicht nur im Vergleich zu Norwegen oder Finnland, sondern auch zu Portugal oder Slowenien relativ viele Kinder in Armut leben.

Kinderarmut führt zu Einsamkeit – besonders Mädchen sind betroffen

Ein Symptom von Kinderarmut ist eine stärkere Isolation. Mehr Kinder fühlen sich einsam. Besonders allein gelassen werden dabei Mädchen. Im Vergleich zu 11 Prozent bei den Jungen gaben fast ein Drittel der Mädchen an, sich fast immer einsam zu fühlen. Auch von Lehrer:innen werden sie nicht ausreichend unterstützt.

Kinder reicherer Familien berichten dabei seltener von Einsamkeit, die Schere zwischen am besten und am wenigsten unterstützten Kindern wird dabei immer größer. Der Bericht misst außerdem das psychische Wohlbefinden von Kindern von einer Skala von 0 bis 100. Der Wert von Mädchen aus ärmeren Familien lag bei 51, direkt an der Grenze von 50, die ein Hinweis auf Depressionen sein könnte. Im Vergleich lag der Wert bei Jungen aus reichen Haushältern bei 70.

Armut führt zu ungleichen Bildungsmöglichkeiten

Laut dem UNICEF Bericht ist die Menge an Kindern, die nicht gut lesen können, von 20 Prozent aus dem Jahr 2018 auf 25 Prozent gestiegen. 40 Prozent können nicht gut mit Computern umgehen und Informationen gezielt suchen und über ihre Richtigkeit überprüfen.

Eine völlig zufällige Entwicklung oder gar rein durch die wirtschaftliche Lage erklärbare Situation ist dies jedoch nicht. Viele Schulen befinden sich in einem schlechten Zustand und benötigen mehr Förderung, auch für Projekte, die ärmere Familien unterstützen können. Während Schulen unterfördert bleiben, steigen gleichzeitig die Ausgaben für Rüstung und Co.

Einschnitte in sozialen Bereichen und weitere Angriffe auf die Arbeiter:inneklasse werden in Zukunft also wahrscheinlich zu einem weiteren Anstieg der Kinderarmut führen. Ein Rückgang ist derzeit nicht in Sicht.

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