Schweiz lehnt Steuer für Superreiche ab

In einer nationalen Volksabstimmung haben sich rund 80 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer gegen eine Erbschaftssteuer für Superreiche ausgesprochen. Von der Maßnahme wären nur die reichsten 2500 Schweizer betroffen gewesen. Zusammen verfügen sie über 500 Milliarden Franken.

In einer nationalen Volksabtimmung hat sich eine Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer gegen eine Erbschaftssteuer für Superreiche ausgesprochen. Die Initiative der Schweizer Jungsozialisten (Jusos) lehnten am 30. November rund 80 Prozent der WählerInnen ab. Das Konzept sah vor, eine Steuer von 50 Prozent auf Erbschaften und Schenkungen ab 50 Millionen Franken (knapp 54 Millionen Euro) zu erheben.

Das im Rahmen der „Initiative für eine Zukunft“ erarbeitete Konzept der Jusos zielte auf mehr Steuergerechtigkeit und Investitionen in nachhaltige Wirtschaft und Klimaschutz ab. Dazu sollte ein Teil des Vermögens von Superreichen umverteilt werden, wobei ein Freibetrag in Höhe von 50 Millionen Franken vorgehesen war.

Von der Steuer betroffen wären laut „tagesschau“ gerade einmal 2500 Haushalte, die zusammen über ein Vermögen in Höhe von 500 Milliarden Franken verfügen.

Juso-Chefin Mirjam Hostetmann argumentierte im Vorfeld der Abstimmung, dass Superreiche mit ihrem Luxuskonsum das Klima am stärksten schädigten. Die zehn reichsten Familien in der Schweiz verursachten zusammen so viele Emissionen wie 90 Prozent der Schweizer Bevölkerung.

Mit ihrem Konsum wie auch durch ihre Investitionen belasteten die Milliardäre das Klima enorm, wie eine Studie der Eidgenössischen Technische Hochschulen Zürich belegt. Wenn alle so viel Treibhausgase ausstossen würden wie die reichsten 0,1 Prozent der Weltbevölkerung, hätte sich die Erde seit 1996 um 12,2 Grad erwärmt.

Widerstand der Kapitallobby

INFO
Die Schweiz führt zwar seit Jahren das internationale Ranking des Vermögens pro Kopf an: Jede Schweizerin und jeder Schweizer besitzt im Schnitt Vermögen von rund 560.000 Franken. Die Hälfte der Bevölkerung besitzt mehr als 140.000 Franken. Etwa 15 Prozent der Schweizer sind Vermögensmillionäre. Gleichzeitig gehört die Vermögensverteilung innerhalb der Schweiz im internationalen Vergleich zu den ungleichsten.

Eine breite Front aus Parteien und Verbänden hatte sich gegen die Steuer eingesetzt. Sie warnten, dass Reiche wegen der zusätzlichen Belastung ins Ausland abwandern und dadurch Steuereinnahmen insgesamt sinken könnten. Ganz vorne mit dabei in der Propagandaschlacht waren beispielsweise der Dachverband der Schweizer Wirtschaft Economiesuisse.

Economiesuisse setzt sich ein für mehr Eigenverantwortung, weniger Sozialstaat, freier Handel, tiefere Steuern, weniger Eingriffe durch den Staat. Der Einfluss der Organisation geht bis auf das Jahr 1942 zurück – als sie finanziert von Industrie, Handel, Banken und Versicherungen gegründet wurde. Heute arbeitet sie mit Spitzenverbänden der Wirtschaft, Unternehmungen, Parteien und Branchenorganisationen zusammen.

Swissmem vertritt die Maschinen-, Elektro- und Metall-Industrie, die grösste Industriebranche der Schweiz, und stark vom Export abhängig. Indem Swissmem und Economiesuisse die angebliche Gefahr zehntausender Industrie-Arbeitsplätze heraufbeschwören, verleihen sie dem Argument der Kapitalflucht vermeintlich Glaubwürdigkeit.

Die Schweiz ist ein Erbschaftsparadies

Jährlich werden in der Schweiz geschätzt 100 Milliarden Franken vererbt. Während 1990 die Erbinnen und Erben noch 4,1 Rappen an Erbschaftssteuer pro Franken zahlten, sind es 2024 gerade noch 1,4 Rappen. Für die Verwaltung von ausländischem Vermögen ist die Schweiz nach wie vor der wichtigste Standort weltweit, auch wenn das Land diesen Spitzenplatz laut einer Prognose in diesem Jahr an Hong Kong verlieren könnte.

Der Bundesrat empfahl den Schweizern, mit Nein zu stimmen. Der Bürgerdienst für alle würde hohe direkte und indirekte Kosten für den Bundesstaat, die Kantone und die Wirtschaft verursachen.

Ministerin Keller-Sutter ist erleichtert

Entsprechend erleichtert äußerte sich die Schweizer Bundespräsidentin und Finanzministerin Karin Keller-Sutter zum Abstimmungsresultat bei der Erbschaftssteuer-Initiative: „Eine solche Steuer hätte unser Steuersystem aus dem Gleichgewicht gebracht. Die Stimmbürger haben einem riskanten Experiment eine Absage erteilt.“

Am Ende zahlte sich die Propaganga der Kapitalfraktionen aus. Das Angebot der Sozialdemokraten konnte das „Schweizer Stimmvolk“ nicht von einem Steuerkonzept überzeugen, von dem 99,97 Prozent der Gesellschaft profitieren würden. Die mehrheitliche Ablehnung zeigt, wie stark finanzstarke Abstimmungskampagnen die Wahlentscheidung beeinflussen können, in dem sie Ängste vor vermeintlichen ökonomischen Nachteilen und Kapitalflucht schüren.

Skepsis gegen progressive Finanzpolitik

Es unterstreicht die tiefe Skepsis im reichsten und gleichzeitig einem der unegalitärseten Länder der Welt gegen progressive Finanzpolitik.

„Es ist erfreulich, dass das Schweizer Stimmvolk die Erbschaftssteuer-Initiative wuchtig abgelehnt hat. Die Stimmbürger haben erkannt, dass diese Initiative für den Wirtschaftsstandort Schweiz und damit den Mittelstand sehr schädlich gewesen wäre“, so der Verwaltungsratspräsident eines Milliardenkonzerns, der mit einer Flucht ins Ausland gedroht hatte, sollte das Vorhaben durchkommen.

Der Präsident von der Lobbyorganisation Swissmem verkündet: „Das deutliche Nein zur Juso-Initiative ist ein Vertrauensbeweis für die Schweizer Wirtschaft. Die Stimmbevölkerung stützt Familienunternehmen. Die Schweizerinnen und Schweizer machen klar, dass Wohlstand, Klimaschutz und Innovation nur mit starken Unternehmen möglich sind.“

Juso Hostetmann von den Jusos gibt zu, das Resultat erwartet zu haben. „Die Gegner haben seit einem Jahr eine massive Kampagne mit einem riesigen Budget gefahren, um uns zum Schweigen zu bringen.“ Die Meinungen seien leider schon länger gemacht. „Ich bin überzeugt, dass wir weiter für Vermögensgerechtigkeit kämpfen.“

Ablehnung gegen nationalen Bürgerdienst

Die SchweizerInnen lehnten in einem zweiten Volksentscheid auch einen Pflichtdienst in der Armee oder in einen zivilen Ersatzdienst – etwa im Bildungs-, Gesundheits- oder Sozialwesen – ab. Während die grün-liberale GLP und die Evangelische Volkspartei (EVP) das Vorhaben unterstützten, sprachen sich 84 Prozent der SchweizerInnen dagegen aus.

Bislang gibt es in der Schweiz eine Wehrpflicht für Männer, die alternativ Zivildienst leisten können. Frauen können sich bislang freiwillig zum Militärdienst melden. Die Regierung in Bern und die meisten Parlamentsparteien hatten die Einführung eines Pflichtdienstes im Vorfeld abgelehnt. Sie argumentierten, dass zu viele Menschen im Arbeitsmarkt fehlen würden.

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