Vor etwa einer Woche wurde im Bundestag ein weiterer Plan zur Verschärfung der Migration nach Deutschland verabschiedet. Die Stimmen dafür kamen von Union, FDP und AfD, was zu heftiger Kritik führte. Der Union wird vorgeworfen mit ihrem Vorstoß bewusst die sogenannte „Brandmauer“ gegen Rechts und damit zur AfD eingerissen zu haben. Ein Skandal?
Wieder gehen zehntausende Menschen auf die Straße. Menschen die ein Zeichen gegen Rechts setzen wollen, Menschen, denen Menschenrechte nicht egal sind. Wieder zehntausende – wie letztes Jahr.
Nach der Correctiv-Recherche sammelten sich empörte Massen in vielen Städten auf zentralen Plätzen. Doch die Welle der Empörung flachte schnell ab. Schon wenige Wochen später zeigte sich bei tatsächlichen Protesten gegen Auftritte der AfD, dass viele nicht zu mehr bereit sind im gegen-Rechts-sein, als ein Zeichen auf großen Plätzen zu setzen.
Die Welle der Empörung flachte 2024 schnell ab
Quantitativ haben sich die seit langer Zeit größten Protesten gegen Rechts kaum in Wachstum der antifaschistischen Bewegung niedergeschlagen. Also lohnt der Aufwand nicht, sich aktiv in die Gemengelage zu werfen?
Die Frage ist zugegebenermaßen verkürzt. In der aktuellen Lage solch große, wenn auch bürgerlich geprägte Demonstrationen zu ignorieren wäre falsch und überheblich und auch im Anbetracht des fortschreitenden Rechtsrucks ist den Kopf in den Sand zu stecken keine Alternative.
Was sind also die Potentiale solcher Massenproteste für die antifaschistische Arbeit?
Wie sich die letzten Wochen gezeigt hat ist eine erhöhte Sensibilität für die Gefahr von Rechts und ein Interesse an antifaschistischer Politik vorhanden. Schon lange gab es keine vergleichbare Aufmerksamkeit mehr für die Inhalte der antifaschistischen Bewegung. Lange fand die Beteiligung „der Antifa“ an Demonstrationen und Kundgebungen nicht mehr so viel Anklang wie aktuell vielerorts. Damit sind nicht die Rückmeldungen der Initiator:innen gemeint, die sich teilweise von der antifaschistischen Bewegung distanzieren, sondern die vielen hundert Gespräche, Rückmeldungen und Zustimmung der Teilnehmenden selbst.
Verschärfende Politisierung des Wahlkampfes
Wahrnehmbar ist außerdem eine Politisierung, die die „normale“ erhöhte Aufmerksamkeit in einem Wahlkampf übersteigt – ging es vor 10 Jahren noch darum, dass sich politisch Aktive zur bzw. gegen die AfD positionierten und das lediglich in anpolitisierten Kreisen und politischen Zusammenschlüssen selbst, debattieren unorganisierte Menschen nun über das Für und Wider eines AfD-Verbots, Parteiprogramme werden gelesen und allerlei kreative Aktionen finden statt. Auch abseits des üblichen zivilgesellschaftlichen Spektrums bilden sich Anti-Rechts-Zusammenschlüsse, sei es aus moralischer Überzeugung oder potentieller (indirekter) Betroffenheit von „Remigrationsplänen“.
Die gemeinsame Sache von Union mit der AfD scheint ein solcher Skandal zu sein, dass es wieder Menschenmassen auf die Straße drängt. Ihnen wird klar, wohin die Reise gehen kann. Für sie war es trotz der Correctiv-Recherche, trotz der rechten Politik der CDU eine Überraschung, was da im Bundestag passierte. Und das wiederum hat Antifaschist:innen überrascht. Merz’ Vorstoß zeichnete sich jedoch ab und trotzdem hat kaum jemand damit gerechnet, dass sich so viele und die breite Öffentlichkeit inklusive Medien darüber derart empört.
Das solche Meilensteine der Rechtsentwicklung die Straßen und Plätze der Republik füllt ist erstmal gut und bietet vielerlei Anknüpfungspunkte.
Auch wenn diese Empörungswelle, wie die Welle vor einem Jahr, wieder schnell abebben wird, vielerorts mit den Protesten an den ersten zwei Februarwochenenden sogar schon vorbei sind; die nächste Welle kommt bestimmt – der Wahlkampf läuft auf Hochtouren und Merz’ macht weiter Merz-Sachen, das Wahlergebnis wird nocheinmal viele Menschen wachrütteln und die vermeintliche Brandmauer wird Thema in den Koalitionsgesprächen.
Was also ist zu tun
…in einer Zeit, in der die Menschen sich mehr für die Arbeit gegen Rechts interessieren, sie sich fragen, was ihr Beitrag sein könnte?
Kurz: Es braucht Angebote.
Angebote für Organisationen, die sich aktuell mehr dem Kampf gegen Rechts widmen wollen und mit auf der Straße sind – Bündnisarbeit ist schließlich bedeutender Teil des antifaschistischen Kampfes.
Angebote in Aktion zu kommen, selbst einen ersten Schritt zu gehen, aktiv zu werden und dabei können viele Aktionsformen und Mittel, die lange erprobt sind, leicht helfen. Sticker zu verteilen kann eine Möglichkeit sein oder direkt eine Demo zu starten, um nicht nur ein stärkendes Gemeinschaftsgefühl mit vielen auf einem Platz zu haben, sondern die Parolen gemeinsam in die Straßen zu tragen und weitere Leute zu erreichen.
Aktiv werden
Ein Angebot kann auch schon ein Flugblatt sein, das nicht nur zur tieferen Auseinandersetzung mit der aktuellen gesellschaftlichen und politischen Lage führt, sondern letztlich auch Hilfestellung in Diskussionen im Alltag bieten kann.
Ein wichtiges Angebot sind natürlich die vielen Offenen Antifa-Treffen, die es in vielen Städten gibt; hier können sich Leute niedrigschwellig anschließen und die kommende Praxis mitgestalten, sich auf Dauer organisieren. Und wo es nichts dergleichen gibt, können solche Events der Start eines Zusammenschlusses sein.
Aber auch eigene Kundgebungen und Veranstaltungen zu genau diesen Empörungsthemen sind Angebote, die je nach Lage und Umständen sehr sinnvoll sein können, auch um eigene Akzente zu setzen und nicht nur Beiwerk in einem großen „Zeichen gegen Rechts“-Ganzen zu bleiben.
Die antifaschistische Arbeit überhaupt, die seit vielen Jahren stattfindet greifbar zu machen und Leute dazu bewegen, mitzumachen; sei es der nächste ohnehin geplante Protest gegen einen vermeintlichen Bürgerdialog der AfD oder der anstehende Stickerspaziergang, bei dem man im Umland rechte Propaganda gemeinsam von den Laternen kratzt.
Zuerst veröffentlicht auf antifa-info.net.