Eine Revolutionärin können sie wegsperren, die Revolution nicht – Prozessbeginn von Daniela Klette

Am Dienstag begann der Prozess der mutmaßlichen Ex-RAF-Revolutionärin Daniela Klette. Zwar behauptet die Justiz, dass ihre revolutionäre Geschichte keine Rolle bei ihrer Verurteilung spiele. Klar wird aber, dass es hier durchaus um eine Abrechnung mit der RAF und revolutionärem Widerstand in Deutschland geht.

Zwischen alten Fachwerkhäusern und dem ruhigen Schlosspark in Celle marschieren mit Maschinenpistolen bewaffnete Polizist:innen, ihre Augen starren grimmig über ihren Sturmmasken hervor: Es ist der erste Tag vor Gericht im Prozess gegen Daniela Klette. Am 26. Februar 2024 wird das mutmaßliche ehemalige RAF-Mitglied nach monatelanger öffentlicher Fahndung und einer Denunziationskampagne in Berlin verhaftet. Gestern, mehr als ein Jahr später, fand nun der erste Prozesstag im Hochsicherheitssaal des Oberlandesgerichts Celle statt.

Gegen die mittlerweile 65-jährige Revolutionärin laufen zwei Ermittlungsverfahren: Die Staatsanwaltschaft Verden wirft ihr insgesamt 13 Raubüberfälle auf Geldtransporter und Supermärkte zwischen 1999 und 2016, versuchten Mord und den illegalen Besitz von Waffen vor. Das zweite Ermittlungsverfahren wird vom Generalbundesanwalt geführt. Dieser geht von Klettes Beteiligung an drei politischen Aktionen der ehemaligen und seit 1998 aufgelösten Roten Armee Fraktion (RAF) aus. So soll sich Klette an einem versuchten Anschlag auf das Rechenzentrum der Deutschen Bank, einer Aktion gegen die US-Botschaft und der Sprengung der im Bau befindlichen JVA Weiterstadt beteiligt haben. Hier kam es bisher aber zu keiner Anklage.

„Der Prozess wird mit politischem Kalkül geführt“

Zwar behauptet der Sprecher des Landesgerichts Verden, Ahmad Mohamad, Danielas revolutionäre Vorgeschichte und ihr politischer Hintergrund „stehe in keinem Zusammenhang mit diesem Verfahren“. Die Realität beweist aber das Gegenteil.

Obwohl die angenommene RAF-Mitgliedschaft Danielas keine Rolle im aktuellen Verfahren in Celle spielen soll, werden in der Anklage laut Klettes Verteidigern regelmäßig Bezüge zur RAF hergestellt. Dass es sich bei Klettes Prozess um kein einfaches Strafverfahren handelt, sondern eher um einen Rachefeldzug der deutschen Klassenjustiz gegen eine Revolutionärin und ihr Erbe, wird recht schnell klar. Ein normales Strafverfahren, so Daniela in ihrer Erklärung vor Gericht, sei von Anfang an verloren gewesen. Der Staat habe absichtlich das Bild einer „marodierenden Räuberbande, die zum Töten bereit wäre“ verbreitet. Und weiter: „Der Prozess wird mit politischem Kalkül geführt“.

In diesem Zuge forderte Klettes Verteidigung auch die Einstellung des Verfahrens und die Aufhebung des Haftbefehls. Erstens sei ihre Mitgliedschaft in der RAF mit den vorliegenden Beweisen nicht nachzuweisen und zweitens wäre ein rechtsstaatlicher Prozess unmöglich. „Jeder geht von der Schuld meiner Mandantin aus. […] Es geht um die Dämonisierung der Mandantin“, so Klettes Anwälte.

Auf der Straße, vor Gericht …

Das größte Verfolgungsprojekt in der Geschichte des LKA Niedersachsen, Denunziationskampagnen wie in den 70ern, Isolationshaft und eigene Gerichtsgebäude – Revolutionärinnen wie Daniela sind dem deutschen Staat ein Dorn im Auge. Insbesondere wenn er nie in den Genuss gekommen ist, ihre Organisationen zu zerschlagen. Denn bevor die Repressionsbehörden auch die letzten RAF-Mitglieder verhaften konnten, löste sich die Gruppe im Jahr 1998 auf, und viele ihrer Anhänger:innen entzogen sich jahrzehntelang dem Zugriff des deutschen Staats – so auch Daniela Klette, Burkhard Garweg und Ernst-Volker Staub.

Der politische Charakter ihrer Verhaftung und der Prozessführung äußert sich letztlich aber auch außerhalb der Gerichtshallen. So organisierten verschiedene klassenkämpferische und revolutionäre Organisationen eine Kundgebung vor dem Oberlandesgericht. Den schwer bewaffneten Polizist:innen steht am ersten Prozesstag eine kleine Menschenmenge gegenüber, einige mit Flaggen und Transparenten mit Aufschriften wie “Revolutionäre Geschichte verteidigen”.

Foto: Perspektive Online

Schaulustige Passant:innen rund um die Bushaltestellen auf beiden Seiten lauschen teils gespannt, teils missmutig den Redner:innen. Redepausen werden gefüllt mit Parolen wie „Solidarität sprengt jede Kette, Freiheit für Daniela Klette!”. In mehreren Redebeiträgen wurde immer wieder die Freiheit Danielas gefordert und aller, die sich gegen Krieg, Faschismus und Unterdrückung wehren.

Schikane und besonders harte Sicherheitsvorkehrungen

Um das Bild einer gefährlichen Terroristin aufrechtzuerhalten und jegliche Solidarität aus der Bevölkerung ideologisch anzugreifen, werden auch keine Kosten gespart: Jeder Ein- und Ausgang des Gerichtsgebäudes wurde während des Gerichtsverfahrens von mehreren mit Maschinengewehren bewaffneten Polizeieinheiten bewacht. Daniela Klette sitzt währenddessen in einem Glaskäfig im Gerichtssaal, hinter ihr und ihrer Verteidigung stehen zwei schwer bewaffnete Polizisten.

Ab Mai sollen die Gerichtsverhandlungen dann in einem speziell für Daniela Klette angemieteten Gebäude mit besonderen Sicherheitsvorkehrungen fortgeführt und teure KI aus Israel zum Einsatz kommen, um alle digitalen Beweismittel auszuwerten. Auch wurde ein neuer Vorsitzender gesucht, der das Verfahren leiten soll.
Doch bereits vor Prozessbeginn musste Daniela lernen, wie Deutschland mit Revolutionärinnen umgeht: 24-Stunden-Überwachung, Einzelhaft und nicht mal einen Kugelschreiber hat man ihr gewährt – vorgeblich aufgrund eines erhöhten „Gefahrenrisikos“.

Freiheit für Daniela und alle politischen Gefangenen!

Diese komplett überzogenen „Sicherheitsvorkehrungen“ beweisen gleich zwei Dinge: Einmal, dass es hier eben nicht um ein „Verfahren wie jedes andere“ geht. Und auf der anderen Seite, dass ein „normaler” Prozess seitens des deutschen Staats auch gar nicht gewollt ist. An Daniela soll ein Beispiel statuiert werden. Auf der Anklagebank sitzt nämlich nicht Daniela, sondern eine Revolutionärin, die militanten Widerstand geleistet hat. Die nicht stillschweigend zugeschaut hat, während Faschist:innen die staatlichen Institutionen durchwanderten und sich der deutsche Staat wieder begann, hochzurüsten.

Sie wehrte sich damals also gegen genau die Verhältnisse, die heute weiterleben, gegen Krieg, Faschismus und Kapitalismus. Daniela soll also für ihren politischen Aktivismus, für ihren Kampf gegen das kapitalistische System und seine schlimmsten Auswüchse eingesperrt werden und Tribut dafür zahlen, dass die den deutschen Staat über 30 Jahre hinweg im Herzen Berlins an der Nase umhergeführt hat. Doch während man eine Revolutionärin vielleicht wegsperren kann, wird ihr Kampf und ihre Vision von einer anderen, besseren Welt weiterleben.

Kurz nach halb sechs am Abend ist der erste Prozesstag dann auch vorbei – Daniela muss aus dem Glaskäfig in Celle zurück in die JVA nach Vechta. Der zweite von insgesamt 56 angesetzten Prozesstagen soll am 1. April stattfinden. Der Prozess ist für insgesamt 56 Tage angesetzt – schon jetzt zeichnet sich ein jahrelanger Show-Prozess ab.

Zuerst veröffentlicht auf Perspektive Online.

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