NATO beschließt weiteres massives Aufrüstungsprogramm

Zehntausende Soldaten und hunderte Milliarden Euro zusätzlich: Das größte Militärbündnis der Welt läutet eine neue Ära der Aufrüstung ein. In Deutschland könnte bald fast die Hälfte des aktuellen Bundeshaushalts in die Aufrüstung fließen.

Während sich im Rostocker Hafen 50 Kriegsschiffe aus 17 Ländern für das Großmanöver „Baltic Operations“ (BALTOPS) – eine jährliche Militärübung in der Ostsee – sammeln, setzt die NATO in dieser Woche ein historisches Signal: Die Verteidigungsminister der Mitgliedsstaaten haben im Brüsseler Hauptquartier erneut eine Erhöhung der konventionellen Verteidigungsfähigkeiten beschlossen. In diesen als „Nationale Planungsziele“ klassifizierten Vorgaben verpflichtet sich auch Deutschland zu massiven Investitionen in Kriegsgerät und -personal.

Die neuen Ziele fokussieren sich auf Hochrisikokapazitäten: Vor allem Luftverteidigungssysteme, präzisionsgelenkte Artillerie, Langstrecken-Marschflugkörper und autonome Drohnenschwärme stehen auf der Liste.

Für die Bundeswehr bedeutet dies laut Verteidigungssminister Boris Pistorius (SPD) eine Erweiterung auf bis zu 60.000 Soldat:innen. Dementsprechend stellt er am Donnerstag beim NATO-Treffen in Brüssel infrage, ob der geplante freiwillige Wehrdienst diese Lücke schließen kann, während CSU-Chef Markus Söder umgehend eine Rückkehr zur Wehrpflicht forderte. Zudem sind Milliardeninvestitionen in neue Waffensysteme geplant, darunter modernste Flugabwehr wie das geplante „European Sky Shield“-Programm.

Die Finanzierung dieser Pläne wird durch eine neue NATO-Ausgabennorm abgesichert. Beim Gipfel im niederländischen Den Haag Ende Juni sollen sich die Mitglieder verpflichten, künftig mindestens 3,5 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Rüstung aufzuwenden, ergänzt um 1,5 Prozent für militärrelevante Infrastruktur. Damit würde die von US-Präsident Trump lange geforderte Fünf-Prozent-Marke erreicht.

In Zukunft: Fast die Hälfte des aktuellen Bundeshaushalts geht an die NATO

Verteidigungsminister Boris Pistorius kündigte an, den deutschen Wehretat schrittweise von 2,1 Prozent (2024) auf 3,5 Prozent bis 2032 erhöhen zu wollen – ein Plus von jährlich 0,2 Prozentpunkten. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) bezifferte die Gesamtkosten drastisch: Jeder zusätzliche Prozentpunkt bedeute 45 Milliarden Euro – bei fünf Prozent entspräche dies 225 Milliarden Euro jährlich, fast die Hälfte des aktuellen Bundeshaushalts.

BALTOPS starten erstmals in Deutschland

Parallel unterstreicht das Marinemanöver BALTOPS mit 9000 Soldat:innen die ungebrochene Bereitschaft der NATO, ihren militärischen Ambitionen weiter Ausdruck zu verleihen. Erstmals startet die Übung in Rostock – ein kalkuliertes Signal für die gewachsene strategische Bedeutung der Hansestadt. Seit Oktober 2024 operiert hier die neue NATO-Einsatzzentrale „Commander Taskforce Baltic“, die auch dieses Manöver koordiniert.

Die Präsenz der russischen Baltischen Flotte, die zeitgleich eigene Übungen mit über 20 Kriegsschiffen abhält, erhöht das Risiko von Zwischenfällen. Die NATO betont zwar, BALTOPS richte sich „nicht gegen ein bestimmtes Land“, doch Marineinspekteur Vizeadmiral Jan Christian Kaack nannte öffentlich die Versenkung des russischen Kreuzers „Moskwa“ 2022 eine „Antriebsfeder“ für deutsche Marinepläne.

Kriegsherde auf der ganzen Welt

Die Aufrüstung steht auch im Zusammenhang mit der geostrategischen Neuausrichtung der USA: Verteidigungsminister Pete Hegseth bekräftigte vergangenes Wochenende auf der Sicherheitskonferenz in Singapur, man bereite sich auf einen „Krieg mit China“ vor und warnte vor einer Invasion Taiwans. Washington drängt die europäischen Verbündeten deshalb explizit, ihre konventionelle Verteidigung eigenständig zu gewährleisten, um US-Kapazitäten für den Pazifik freizusetzen. Diese Forderung spiegelt sich in den neuen NATO-Zielen wider.

Die Beschlüsse der NATO markieren nicht nur eine weitere Wegmarke der militärischen Zeitenwende in Deutschland, sondern auch eine strategische Neuvermessung der NATO. Das Bündnis möchte sich strategisch möglichst vorteilhaft positionieren: einerseits für einen Krieg mit Russland, auf den sich die Bundeswehr mir ihrem Operationsplan Deutschland vorbereitet, andererseits im Machtkampf mit China im Indopazifik.

Mit Material von Perspektive Online (CC BY-NC 4.0).

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