Die AfD hat in den letzten Umfragen vor der Wahl im Vergleich zum Dezember nochmal zugelegt und lag bei 20,5 Prozent. Dies stellt das beste Ergebnis für eine faschistische Partei seit Bestehen der Bundesrepublik dar. Für viele scheint dieser Aufstieg der Faschist:innen nicht mal 100 Jahre nach dem Fall der Nazidiktatur und der Entnazifizierung überraschend – oder zumindest unverständlich. Jedoch ist dies das Produkt der faschistischen Kontinuität der BRD. Denn eine wirkliche Entnazifizierung hat nie stattgefunden.
Der Faschismus in der jungen Bundesrepublik
Auch wenn es uns im Geschichtsunterricht so beigebracht wurde, fand in der BRD nie eine echte Entnazifizierung statt. Zum einen wurde ein großer Teil der Naziverbrecher bis zum heutigen Tage nicht zur Rechenschaft gezogen. Zum anderen ist es mittlerweile ein offenes Geheimnis, dass die Institutionen der jungen BRD von ehemaligen Nazis aufgebaut und durchsetzt waren. Dies trifft auch auf den Sicherheitsapparat zu.
So wurde der Auslandsgeheimdienst der Bundesnachrichtendienst (BND) von niemand geringerem als dem ehemaligem Wehrmachtsgeneral Reinhard Gehlen aufgebaut. Dieser war unter Hitler Leiter des Auslandsgeheimdienstes Fremde Heere Ost gewesen. Aus seiner Organisation Gehlen wurde zudem der Militärische Abschirmdienst (MAD) aufgebaut. Dieser fungiert bis heute als Geheimdienst innerhalb der Bundeswehr.
Die faschistische Kontinuität im Staat
Zudem wurde der Verfassungsschutz als auch verschiedenste Polizeibehörden von ehemaligen Faschist:innen aufgebaut. Dies zeigt, dass der Faschismus tief mit den neuen „demokratischen“ Institutionen der Bundesrepublik verwoben ist.
Parallel dazu war der Einfluss des Hitlerfaschismus auf die deutsche Bevölkerungen nach Kriegsende nicht auf einmal verschwunden. Neben der wurde der NS-Erziehungsratgeber „Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind“ bis in das Jahr 1987 neu herausgegeben und bis in die 1970er Jahre in Berufs- und Fachschulen als Lehrmaterial verwendet.
Durch diese faschistische Kontinuität im Staat und dem andauernden Versuchen der faschistischen Bewegung die alte Ideologie neu zu verpacken schwelte der Faschismus immer unter der „freiheitlichen Demokratie“.
Der Weg von Deportation zu Remigration
Ein Resultat der Kriegsniederlage der Hitlerfaschist:innen war unter anderem die Tabuisierung oder sogar Illegalisierung einzelner Aspekte ihrer Ideologie. Dies führte dazu, dass selbst die Parteiaufbauversuche in der jungen Bundesrepublik, namentlich die verbotene Sozialistische Reichspartei (SRP) oder die Deutsche Reichspartei (DRP), welche später zur Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) wurde, nicht von Erfolg gekrönt waren.
Diese Parteien wurden von ehemaligen NSDAP-Mitgliedern aufgebaut, welche das Ziel hatten, die faschistische Diktatur wieder einzuführen. Jedoch war dies zu dem Zeitpunkt weder im Interesse, der Besatzungsmächte noch dem deutschem Großkapital. Ein liberal demokratisches und antikommunistisches Deutschland hatte bessere Möglichkeiten, in dem neu entstehenden NATO-Block eine wichtige Rolle zu spielen und sich wieder aufzubauen.
Das Re-branding der Neuen Rechten
Dennoch haben die Faschist:innen nicht aufgegeben. In den letzten Jahrzehnten wurde sowohl national als auch international das Gesicht des Faschismus überarbeitet. So wurde beispielsweise aus „Rassentrennung“ über die Zeit „Ethnopluralismus“ und aus „Massendeportationen“ wurde „Remigration“. Diese neue Verpackung hat im Prinzip das Ziel, den Einfluss der faschistischen Bewegung mit denselben Inhalten, nur unter anderem Namen wieder zu vergrößern.
Dieses „Re-branding“ hat Jahrzehnte in Anspruch genommen. Damit sind auch viele neue Denkfabriken aus dem Boden gestampft worden. Die bekanntesten heute sind wohl das Compact Magazin, die Junge Freiheit als auch das mittlerweile aufgelöste Institut für Staatspolitik.
Einer der wichtigsten Denker der neuen Rechten war Armin Mohler. Mohler war ein ehemaliges SS-Mitglied und Redenschreiber für den damaligen Parteivorsitzenden und Bundesminister Franz-Joseph Strauß. Ein weiterer Vertreter der neuen rechten Ideenschmiede ist Mohlers Schüler Götz Kubitschek, welcher bis vor kurzem Leiter des Instituts für Staatspolitk war. Kubitschek fällt heute auch durch seine Nähe zu AfD Funktionären wie Björn Höcke auf.
Der Faschismus und das Kapital
Diese faschistischen Denkfabriken brauchten jedoch auch Finanzierung. Da traf es sich gut, dass es noch immer Sympathisanten des Faschismus unter den Besitzern der Großkonzerne gab. So wurde Armin Mohler von 1964 bis 1985 Geschäftsführer der Carl Friedrich von Siemens Stiftung. Diese diente ihm dadurch als Finanzierungsquelle.
Eine weitere Quelle für die Verbreitung von faschistischen Inhalten bei gleichzeitigem Anschaffen von Großspenden war das Studienzentrum Weikersheim. Dies bildet auch heute noch eine Brücke zwischen „anonymen“ Großspendern und der AfD. Dazu zählt auch der Immobilienmilliardär Henning Conle, der erst kurz vor der Wahl in den Medien aufgetaucht ist. Grund waren illegale Großspenden an die AfD in Höhe von mindestens 2,35 Millionen Euro.
Die ideologische Arbeit der Faschist:innen, welche immer auf finanzielle Unterstützung bauen konnte, wurde zur Basis verschiedenster Aufbauprojekte der neuen faschistischen Bewegung. Schlussendlich konnte diese mit der AfD erfolgreich einen parlamentarischen Arm aufbauen.
Erste Parteiaufbauversuche der Neuen Rechten
Schon vor dem Mauerfall gab es erste Versuche der neuen faschistischen Bewegung für einen Parteiaufbau. Der erste große Versuch, eine massentaugliche Partei aufzubauen, waren die Republikaner. Diese wurden 1983 als eine Partei aufgebaut, welche einen demokratischen Anschein hat und sich zumindest optisch von Neonazis wie z.B. der NPD abgrenzte. Ein bekanntes Muster der neuen Rechten, welches wir auch später wieder antreffen sollten, wie z.B. bei der AfD heute.
Ihren Höhepunkt erreichte dieser erste Aufbauversuch jedoch schon Anfang der 1990er Jahren mit 20.000 Mitgliedern und Wahlergebnissen von um die 2 Prozent in der Bundestagswahl. Zudem gelang ihr 1989 der bis dato größte Wahlerfolg einer faschistischen Partei in der BRD. Mit einem Stimmenanteil von 7,1 Prozent gelang der Einzug in das Parlament der Europäischen Gemeinschaft (EG), der Vorläufer der EU. In die EG konnten sie mit einer starken Haltung gegen diese Institution einziehen.
Aufgebaut wurde die Partei von ehemaligen Mitgliedern der CSU, welche ebenfalls ihre Nazivergangenheiten hatten. Zudem wurde der Aufbau von Armin Mohler, der Siemens-Stiftung und anderen Teile des deutschen Großkapitals wie der Berliner Elektroindustrie oder dem damaligen Direktor der Bayrischen Zentralbank Horst Rudolf Übelacker unterstützt. Zudem bestand ein großer Teil des Parteiapparats aus Polizist:innen, Soldat:innen und Geheimdienstler:innen. Das stellte eine perfekte Mischung, aus Faschist:innen, Großkapital und Staatsstrukturen dar.
Auch wenn dieser Versuch keinen langfristigen Erfolg gebracht hatte, hat es eines bewiesen: Die faschistische Bewegung kann wieder Millionenstimmen bekommen, wenn sie die selben Inhalte neu vorstellt.
Der Mauerfall und der gezielte Aufbau
Mit dem Fall der Mauer hatten sich mehrere Dinge gleichzeitig entwickelt. Zum einen war der Fall des sowjetischen Blocks ein weiterer Tiefpunkt für die weltweite kommunistische Bewegung, welche sich lange nicht davon erholen konnte. Zum anderen sorgte es für einen abrupten Zerfall der Lebensumstände in den neuen Bundesländern. Denn das westliche Kapital stürzte sich auf die Überreste der DDR Wirtschaft und deindustrialisierte den Osten.
Dies wurde getan, um zu verhindern, dass sich in Ostdeutschland eine Konkurrenz zu den westlichen Großkonzernen etabliert. Diese Deindustrialisierung und der Ausverkauf des Ostens fand zu Lasten der dortigen Arbeiter:innen statt. Viele verloren ihre Jobs, Frauen wurden in den Haushalt zurück gedrängt und die Kosten zum Überleben wuchsen rapide an.
In eben dieser Phase sahen die Faschist:innen ihre Chance. Viel zogen in den Osten, um dort einen gezielten Aufbau zu betreiben. Bezeichnende Pläne dafür waren zum einen der „Arbeitsplan Ost“ von Michael Kühnen oder dem Plan der „National befreiten Zonen“, welche von der Jugendorganisation der NPD entwickelt wurde. Diese Pläne hatte das Ziel, eine ideologische Vorherrschaft der Faschist:innen im Osten aufzubauen und somit die Kultur und das Denken der Menschen dort zu beeinflussen. Ostdeutschland war aufgrund der wirtschaftlich prekären Lage und des Vakuums, das der Fall der DDR hinterlassen hat, ein interessanter Ansatzpunkt für die faschistischen Strukturen aus dem Westen.
Die AfD und der Aufstieg der faschistischen Bewegung
Nach dem Scheitern der Republikaner gab es mehre Versuche der faschistischen Bewegung eine massentaugliche Partei aufzubauen, welche alle nicht von wirklichem Erfolg gekrönt waren. Dies war zumindest der Fall bis eine Euro-kritische Partei auf den Plan trat. Im Rahmen der Eurokrise von 2012 und den Nachbeben der Weltwirtschaftskrise von 2008 wurde die AfD gegründet.
Diese Partei wurde schon früh sowohl von nationalistisch-faschistischen Teilen, als auch von wirtschaftsliberalen Teilen aufgebaut. Zu Beginn stand der wirtschaftliche Teil noch im Fokus und die Partei bekam großzügige finanzielle Unterstützung von verschieden Teilen der Industrie und Wirtschaft. Diese Unterstützung hat sich bis heute nur vergrößert.
So war eine erste große Stütze für die AfD der Bund deutscher Industrieller (BDI) welcher einer der einflussreichsten Arbeitgeberverbände in Deutschland ist. Ebenso hatte sich die alte Familie Finck, welche schon während und vor dem Hitlerfaschismus eine wichtige Stütze der NSDAP war, groß als finanzielle Quelle angeboten.
Im Verlauf der letzte 12 Jahre seit Gründung der AfD im Jahr 2013 konnte eines jedoch beobachtet werden. Die AfD hatte immer nur als ein Teil einer gesamten Bewegung fungiert. Ohne die Arbeit von PEGIDA oder Querdenken, welche faschistische Narrative im Rahmen der allgemeinen Krisen in die breite Masse getragen hat, wäre die AfD nicht so relevant. Dies gilt jedoch auch umgekehrt.
Als Parlamentarischer Arm der faschistischen Bewegung weiß die Partei, das Parlament als Bühne für ihre Ideologie zu verwenden. Dabei wird die Strategie der neuen Rechten, welche auf Wortneuschöpfungen und gezielte Provokationen gerade außerhalb des normalisierten Rahmens setzt, direkt angewandt. Dies stärkt dann auch wiederum die militanten Faschist:innen, welche immer häufiger und offener Jagd, auf Migrant:innen, Frauen, LGBTI-Personen oder politische Gegner:innen machen.
Dabei grenzen sich all diese Teile der Bewegung formal voneinander ab. Sie unterstützen sich aber gegenseitig und müssen als eins verstanden werden. Sowohl der Staatsapparat, welche faschistische Organisationen wie den NSU finanziert hat, oder auch die Geldgeber des Großkapitals, welche den Aufbau vermeintlicher „Alternativen“ tragen, sind ebenso Teil der Bewegung wie Querdenken, PEGIDA oder die militanten Neonazis.
Antifaschismus muss Praxis werden
In Anbetracht dieses langjährigen Aufbaus und der Kontinuität des Faschismus in der BRD ist der Erfolg der AfD kein einzelnes Phänomen. Es ist das Resultat aus sowohl der gezielten Unterstützung von Staat und Kapital, als auch der allgemeinen Krise des Kapitalismus.
Viele Menschen haben in den letzten Jahrzehnten aufgrund von Spar- und Kürzungspolitik gelitten. Zudem stehen viel Kleinunternehmer:innen vor dem Ende ihrer Existenz und befürchten einen Abstieg in die Arbeiter:innenklasse. Diese Unsicherheit und Wut wurde gezielt durch die faschistische Bewegung umgelenkt.
Das Ziel der Faschist:innen ist, es die Wut auf uneingelöste Versprechen des Kapitalismus auf Teile der Arbeiter:innenklasse zu lenken statt auf das kapitalistische System. Darunter leiden dann die Teile unserer Klasse als erstes, welche sowieso schon am meisten unterdrückt sind. Seien es Migrant:innen, Frauen, LGBTI+-Personen oder Arbeitslose.
Diese Realität und auch die Verflechtungen mit eben jenen Institutionen welche die Krisen erst verursacht haben müssen aufgezeigt werden. Es muss jedoch auch eine Alternative aufgezeigt werden, welche wirklich die Probleme und Krisen des Kapitalismus löst. Im letzte Jahr konnten wir neben dem Aufstieg des Faschismus eben auch eine positive Tendenz beobachten.
Die antifaschistische Bewegung hat sich breiter aufgestellt und viele wichtige Kämpfe schon geführt. Seien es Blockadeaktionen von Parteitagen oder Großdemonstrationen gegen den Rechtsruck. Dies hatte bisher aber noch nicht zur Schwächung der faschistischen Bewegung direkt geführt, da sie ideologisch keine Perspektive bietet. Bisher war dieser Antifaschismus unter der Führung von Parteien, wie SPD, Grüne und Linke, sowie ihrer Vorfeldstrukturen.
Dies Parteien haben jedoch kein Interesse daran, den Kapitalismus abzuschaffen, und so wurde der Antifaschismus bisher sehr oberflächlich geführt. Um der antifaschistischen Bewegung eine neue Schlagkraft zu verschaffen, müssen wir mit dem Ansatz herangehen, dass konsequenter Antifaschismus auch antikapitalistisch sein muss. Denn die faschistischen Kontinuitäten der BRD zeigen nur allzu gut auf, wie stark der Faschismus mit der kapitalistischen Wirtschaftsweise verwoben ist.
Der Faschismus ist eine falsche Alternative für die Arbeiter:innen. Dem Aufschwung des Faschismus muss eine wirkliche Alternative entgegengestellt werden muss. Der Erfolg der AfD bei dieser Bundestagswahl, sollte uns aber nicht zum resignieren bringen, sondern als Ansporn fungieren, der eine antifaschistische Arbeiter:innenbewegung aufbaut.
Zuerst veröffentlicht auf Perspektive Online.