Militante Aktionen gegen Faschismus und Krieg in mehreren deutschen Städten

In Berlin, Bremen und Leipzig kam es vor wenigen Tagen zu militanten Aktionen als Ausdruck des kämpferischen Widerstands gegen Faschismus, Krieg und Kapital. Ziele waren Rüstungsfirmen, Bundeswehr, Banken und ein Jobcenter.

In der Nacht auf Montag haben mehrere Gruppen bislang unbekannter Aktivist*innen militante Aktionen in Berlin, Bremen und Leipzig durchgeführt, die im Zeichen des organisierten Widerstandes gegen die anlaufende Militarisierung der Gesellschaft sowie die massive Repression durch Polizei und Sicherheitsdienste gegen die antifaschistische Bewegung in Deutschland und Europa stehen. Wie aus anonym veröffentlichten Bekennerschreiben hervorgeht, kam es alleine in den letzten sieben Tagen zu Angriffen auf den Veranstaltungsort einer Rüstungsmesse in Berlin, auf einen Bundeswehrstandort in Bremen sowie auf zwei Banken und ein Jobcenter in Leipzig. Die sächsische Stadt war am Sonntag mit fast 10.000 Teilnehmer*innen noch Schauplatz einer der größten antifaschistischen Demonstrationen der jüngeren Vergangenheit.

Berlin I: Gegen Krieg und Militär

Den Anfang gemacht hat eine Gruppe am späten Sonntagabend, jenem Tag, an dem die Bundesrepublik – auf Beschluss des Deutschen Bundestages im vergangenen Jahr – den ersten nationalen Veteranentag ausrief. Der Eingang des Berliner Edelhotels Vienna House in der Landsberger Allee, in dem am nächsten Tag die jährliche Ausbildungsmesse der Bezirksämter Pankow und Lichtenberg stattfinden sollte, wurde mit roter Farbe und Buttersäure markiert. An der Messe – von den Behörden als „Ausbildungsoffensive“ betitelt – beteiligen sich neben Landes- und Bundespolizei auch Bundeswehr und Bundesnachrichtendienst. Gezielt konnten die Militaristen unter 2000 Schüler*innen der örtlichen achten bis zehnten Klassen für ihre mörderischen Tätigkeiten werben.

Das Vienna House wurde noch aus einem zweiten, möglicherweise weit bedeutenderen Grund Ziel eines antifaschistischen Anschlags. Vom 18. bis 19. November diesen Jahres wird hier die 24. Berliner Sicherheitskonferenz ausgerichtet – unter Beteiligung der wichtigsten europäischen Vertreter aus Sicherheitspolitik und Rüstungsindustrie. Die ehemalge Bundestags- und jetzige europäische Abgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), in deren Wahlkreis das größte deutsche Rüstungsunternehmen, die Düsseldorfer Waffenschmiede Rheinmetall, zuhause ist, sitzt dem „Advisory Board“ der Konferenz vor.

„In einer Phase der Normalisierung von Kriegsvorbereitung, Gewinnabschöpfung, des Krieges in der Ukraine und Rohstoffkriegen in Afrika, der Unterstützung der Massaker Israels in Palästina und Nachbarländern, der Abschottung der Grenzen und präventiven Aufstandsbekämpfung suchen die bewaffneten Organe [Polizei, Bundeswehr etc., Anm.] verzweifelt nach Menschen, die bereit sind, schmutzige Aufgaben zu übernehmen. Für uns ergibt sich die klare Notwendigkeit solche Veranstaltung zu verhindern, mindestens zu sabotieren.“ – Anonym

Teil einer ganzen Serie antifaschistischer Initiativen

Die Unternehmung reiht sich ein in eine Serie von politischen Aktionen, die Ausdruck des organisierten Widerstandes gegen Militarisierung und Krieg sind. So wurden in einem ähnlichen Fall Anfang Juni auf einer Jobmesse an der Universität Göttingen die Stände von Firmen, die Rüstungsgüter produzieren, ebenfalls mit Farbe angegriffen. In Bremen hinterließ eine Gruppe bei einem kurzen Besuch im örtlichen Karrierezentrum der Bundeswehr in der Nacht auf den 11. Juni eine nach eigenen Angaben „farbenfroh zerstörte Fassade und brennende Barrikaden“. Die Genossen stellten dabei fest, dass sich im selben Gebäude Räumlichkeiten des Zolls befinden, ein „erfreulicher Nebeneffekt unseres Angriffs, bei dem vermutlich der meiste Glasbruch entstanden ist“. Die polizeiähnliche Behörde ist gegenwärtig immer wieder Gegenstand von Diskussionen, die sich um eine Aufrüstung der Dienstwaffen der Zollbeamt*innen drehen. In der Hansestadt tagte vom 11. bis 13. Juni die Innenministerkonferenz, die in dieser Angelegenheit berät.

Göttingen und Bremen: Gegen das Kriegskapital

Dass nächtliche Unternehmungen dieser Art – anders als in den vielen fadenscheinigen medialen Verurteilungen beschworen – nicht ohne unmittellbare Folgen bleiben, zeigt die Ankündigung eines Mannes, dessen Untergebene auf der besagten Göttinger Messe zwar mit Farbe bekleckert wurden („Zwei unserer jungen Mitarbeiter waren vor Ort, von oben bis unten rot.“), an dessen Hände jedoch Blut unermesslich vieler Opfer von Krieg und Vertreibung klebt: „Wir überlegen jetzt, uns von Jobbörsen zurückzuziehen, wenn die Sicherheit unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht gewährleistet werden kann“, so Sebastian Vreemann, Geschäftsführer von Kappa-optronics – eines Unternehmens, das Kamerasysteme für Panzer, Drohnen und Geschütze produziert, die in Kriegsgebieten weltweit zum Einsatz kommen.

Leipzig I: Gegen das prekäre Leben

Statt des Sterbens an der Front machte eine Gruppe in Leipzig die prekäre Lage der arbeitenden Klasse hierzulande zum Thema: Um etwa 1 Uhr am frühen Montagmorgen meldeten Augenzeugen der Polizei, dass sich mehrere Personen an der Fassade einer Filiale der Agentur für Arbeit zu schaffen machten. Scheiben gingen zu Bruch und ein Schriftzug verkündete nach der Tat Solidarität mit der seit einem knappen Jahr in ungarischer Isolationshaft sitzenden Antifaschist:in Maja. Maja ist seit 5. Juni im Hungerstreik gegen die brutalen Haftbedingungen und für einen Prozess in Deutschland.

„Das Jobcenter ist Teil eines staatlichen Systems, das Eigentum, Kapital und reiche Leute schützt und gleichzeitig strukturell Menschen in Armut hält. Der Mythos des ‚guten Lebens durch harte Arbeit‘ wird kontinuierlich propagiert. Gleichzeitig werden Leute in prekäre Arbeitsverhältnisse gezwungen und für viel zu wenig Geld ein Leben lang ausgebeutet; der versprochene Wohlstand bleibt aus. Der selbe Staat hat Antifaschist*in Maja rechtswidrig an das Regime in Ungarn ausgeliefert, wo Maja sich nun im Hungerstreik befindet, um Majas Rückkehr nach Deutschland zu erwirken. Maja ist der staatlichen Gewalt als nicht-binäre Person besonders ausgesetzt, da der ungarische Staat die Rechte queerer Menschen immer weiter einschränkt. Mit der Auslieferung von Maja an dieses queerfeindliche Regime zeigt der deutsche Staat, dass er es mit den Rechten queerer Personen ähnlich hält.“ -Anonym

Bevor die Polizei am Ort des Geschehens eintraf, vollendeten die Unbekannten ihr Werk und flohen in das Dunkel der Leipziger Nacht. Eine eingeleitete Fahndung blieb ohne Erfolg. An der Fassade der Arbeitsagentur prangerte in einer Größe von vier mal zwei Metern „FREE MAJA“.

Leipzig II: Gegen das Kapital

Knapp eine Stunde später wurden die Beamten erneut zur Hilfe gerufen. Die umherschweifenden Aktivist:innen – sofern es sich um dieselben wie bei der Aktion am Jobcenter handelte – waren in der Könneritzstraße aufgetaucht und gerade dabei, die Scheiben zweier Bankfilialen zu zerschlagen. Auch hier prangten im Nachgang „FREE MAJA“-Schriftzüge an der Fassade. Der Staatsschutz hat die Ermittlungen aufgenommen.

„Die eingeschlagenen Scheiben sind unser Beitrag zur militanten Unterstützungskampagne von Majas Hungerstreik. Wir freuen uns, dass sich in Leipzig, Berlin, Wuppertal und Hamburg schon so zahlreich der Kampagne angeschlossen wurde. Wir fordern alle, die sich solidarisch mit Maja zeigen wollen, dazu auf, es uns nachzumachen! Majas Mittel für die eigene Freiheit zu kämpfen sind so begrenzt, dass Maja den letzten möglichen Schritt gegangen ist und nun das eigene Leben aufs Spiel setzt. Als solidarische Gefährt*innen sehen wir in militanten Aktionen die Möglichkeit, Majas Forderungen Nachdruck zu verleihen. Ob das Ziel unser Aktion dabei einen direkten Bezug zum Budapest-Verfahren hat, ist für uns zweitrangig. Um es klar zu machen: wir geben keine Ruhe, bis wir Maja nicht wieder haben. Wir wollen, dass diese Botschaft bei den Verantwortlichen für Majas Auslieferung (sowie hoffentlich baldige Rückführung) deutlich ankommt. Es soll richtig unangenehm und teuer werden.Die Scheiben auf der Könneritzstraße waren nicht die letzten, die für Maja geklirrt haben!“ -Anonym

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