Polizeigewalt ist ein unverzichtbarer Teil dieses Systems

Polizeibeamte können oft unbehelligt agieren. Nur wenige Gewalttaten von Polizisten werden überhaupt verfolgt und bestraft. Behörden und Gerichte führen Polizeigewalt immer noch stur auf Einzeltäter zurück. Mit steigenden Ausgaben für Ausrüstung und Strafverfolgung sowie größeren rechtlichen Freiräumen wird Gewalt durch den Staat nur weiter begünstigt.

In diesem Jahr wiederholten sich Berichte über Polizeigewalt, sei es ein rassistischer Mord oder Gewalt gegen politische Demonstrationen. Statistiken zeigen wachsende Zahlen von Polizeigewalt und Morden. Hierbei handelt es sich nicht nur um absehbare Auswirkungen des politischen Klimas. Der Rechtsruck findet nicht nur in den Köpfen der BeamtInnen statt, er ist eine Notwendigkeit dieses Systems.

Blut an ihren Händen

Im Jahr 2024 erreichte die Zahl der Polizeimorde mit 22 Opfern ein 25-Jahres-Hoch. Für das erste Halbjahr 2025 gibt die Statistik 16 Tote durch eine polizeiliche Dienstwaffe an, während zivilgesellschaftliche Initiativen gegen Polizeigewalt von 22 Toten durch direkte körperliche Gewalt oder in Polizeigewahrsam berichten.

Die bislang größte Untersuchung zur Polizeigewalt in Deutschland aus dem Jahr 2019 kommt zum Ergebnis, dass pro Jahr mindestens 12.000 rechtswidrige polizeiliche Übergriffe stattfinden, wobei die realen Zahlen biszu fünfmal so hoch liegen könnten.

Ein Fünftel der befragten Betroffenen von Polizeigewalt gab in einer Studie im Jahr 2023 an, schwere körperliche Verletzungen – das heißt Knochenbrüche oder Verletzungen an Sinnesorganen – erfahren zu haben. Während die allermeisten dieser Gewalttaten sich während großer, eigentlich von der Versammlungsfreiheit geschützter Veranstaltungen ergaben, wurde im Zuge der Befragung deutlich, dass Menschen mit offensichtlichem Migrationshintergrund gezielte Gewalt von Beamt: innen erfahren haben, beispielsweise durch willkürliche Kontrollen, die „eskaliert“ sind.

Rassismus ist der Polizei auf die Stirn geschrieben

Ob es die zahlreichen Erfahrungsberichte von Migrant: innen, das Aufdecken von aktiver Mitgliedschaft von Beamt: innen in einer weiteren faschistischen Chatgruppe oder ein weiterer Mord an einem jungen schwarzen Mann sind, der Rassismus ist der Polizei auf die Stirn geschrieben.

Während die Antidiskriminierungsstelle des Bundes in ihrer Stellungnahme von diskriminierenden Verhaltensweisen unter Menschen spricht, die unsere Demokratie schützen, und mit ihrer Rhetorik auf unvermeidbare Ausnahmefälle deutet, lässt die Realität auf alles andere als moralische Einzelfälle schließen.

Leugnen, drohen, vertuschen

Laut Staatsanwaltschaft wird in nur zwei 2 Prozent der Fälle von Polizeigewalt eine Anklage erhoben, wobei wiederum 93 Prozent der Verfahren eingestellt werden. Befragte gaben an, nicht nur zu bezweifeln, dass der Gewalttat wirklich nachgegangen werde, sondern auch starke Angst vor Repressionen wegen Aussagen gegen Polizeibeamte zu haben.

Dieser völlig berechtigte Verdacht wurde wiederholt belegt. Nicht nur, dass laut Justizbeamt:innen, Polizist:innen aufgrund eines „institutionellen Näheverhältnisses“ eine „besondere Behandlung“ erfahren: die Polizei verfügt über die völlige Deutungshoheit, was Gewalt und Notwendigkeit angeht. Das „Geradeschreiben“ von Einsatzberichten ist keine Seltenheit, selbst wenn sie Beweisen und Zeugenaussagen widersprechen.

Sei es im Fall von Lorenz A. aus Oldenburg, der mit vier Schüssen in den Rücken von der Polizei ermordet wurde und der Aussagen zufolge ein Messer bei sich gehabt haben soll, das aber nie gefunden wurde. Dder im Fall von Oury Jalloh, dessen Leiche völlig verkohlt in Polizeigewahrsam gefunden wurde, wobei die Polizei behauptet hat, dass der gefesselte Mann sich selbst angezündet haben soll.

Vergehen verfolgen Kollegen

Derselbe Apparat, der diese Morde verantwortet, ist damit beauftragt, diesen nachzugehen. Zudem wird versucht, Betroffene und Angehörige zum Schweigen zu bringen, etwa durch Drohungen oder hohe Geldsummen wie im Fall von Oury Jalloh, dessen Familie 5.000 Euro geboten wurden, um auf eine Anklage zu verzichten.

Wieso wird das gewaltsame Handeln der Polizei nicht eingeschränkt, sondern durch immer mehr Ausstattung wie etwa Taser – die bereits mehrfach zu Todesfällen geführt haben und immer größere Befugnisse noch verschärft? So erkämpfte sich die Polizeigewerkschaft die Erlaubnis, nach eigenen Einschätzungen handeln zu können, was die Überwachung von Versammlungen angeht. Immer mehr Überwachungskameras mit Software zur automatischen Erkennung von Gesichtern, Stimmen und Bewegungsmustern kommen zum Einsatz.

Gesuche von Betroffenen, sich an die Justiz wenden, führen meist ins Leere. Die Staatsanwaltschaft berichtet von einem „besonderen Ermittlungsaufwand“ und „hoher Arbeitsbelastung“. Es mangele an Personal und Ausstattung, und man stützt sich letztlich oft auf Aussagen der Polizei. In vielen Staatsanwaltschaften herrscht außerdem die Grundannahme vor, dass Strafanzeigen gegen Polizist:innen in der Regel unberechtigt seien, weswegen nur selten überhaupt Anklage erhoben wird.

In vielen Fällen erstatten die der Gewalt Beschuldigten Anzeige gegen ihre Geschädigten. Durch fadenscheinig argumentiere Vorwürfe sollen diese eingeschüchtert und die Gewalt gegen sie legitimiert werden.

Repressionen gegen politische Gegner:innen

Über die Hälfte der Fälle von Polizeigewalt ereignete sich während Demonstrationen. Dort fanden auch die meisten Gewaltakte gegenüber Frauen und trans Personen, also patriarchale Gewalt, durch die Polizei statt. Auch hier werden „Eskalationen“ als Vorwand genommen, wobei ein Fünftel der Befragten angibt, die Eskalation würde oft von der Polizei selbst ausgehen. Anlass dafür ist das Hinterfragen oder Widersetzen gegen Anweisungen oder jegliche Handlung, die nicht das direkte Befolgen dieser ist. Laut Angaben der Polizei käme Gewalt vor allem zum Einsatz, wenn diese als legitim und praktisch eingeschätzt wird, ob rechtswidrig oder nicht.

Dieser völlig undefinierte Maßstab erlaubt und begünstigt willkürliche Angriffe auf die Bevölkerung, vor allem auf die Teile, die den Finger in die Wunde legen. In Köln kam es wegen der Parole „Deutsche Polizisten, Mörder und Faschisten!“ zur Anzeige wegen Beleidigung. Die Großdemonstration des Rheinmetall Entwaffnen Camps wurde mit massiver Gewalt aufgelöst, Palästinasolidarität wird aufgrund von unterstelltem „Antisemitismus“ kriminalisiert. Währenddessen wird die Mitgliedschaft von Beamt:innen in faschistischen, antisemitischen Gruppen wie „NSU 2.0“ geduldet, weil dieser Staat auf Gewalt gegenüber der Arbeiter:innenklasse aufbaut und weil dieser Staat nicht uns, sondern die bürgerliche Ordnung schützt.

Zuerst erschienen auf Pespektive (CC BY-NC-SA 4.0 edited).

Jetzt teilen